Finanzmarkt-Themen im neuen Regierungsprogramm von ÖVP und Grüne

austrian parliament building

Am 2.1.2020 wurde nach ca. 100-tägigen Verhandlungen das Regierungsübereinkommen zwischen der ÖVP und den Grünen präsentiert. Nachdem die Grünen Delegierten dem Übereinkommen und den vorgeschlagenen Grünen Regierungsmitgliedern zugestimmt haben, wurde die Regierung am 7.1.2020 angelobt. Die Grünen gehören damit erstmals in Österreich einer Bundesregierung an.

Eines der bemerkenswertesten und ambitioniertesten Ziele des Regierungsprogramms ist, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Das ist noch ein Stück ehrgeiziger als die Pläne der EU, die bisher 2050 als Datum nennt. Und es bedeutet weitreichende Veränderungen in vielen Lebensbereichen, die in diesem Programm skizziert werden. Vieles scheint noch unklar, insbesondere, wie realistisch das ist und wie das konkret finanziert werden kann.

Wir haben hier für Sie zusammengefasst, was das Regierungsprogramm zum Thema Finanzmärkte sagt:

Stärkung der Teilnahme am Kapitalmarkt und der privaten Altersvorsorge

Es soll eine Behaltefrist für die Kapitalertragsteuerbefreiung für Kursgewinne bei Wertpapieren und Fondsprodukten erarbeitet werden.

Ergänzend zur staatlichen Pensionsvorsorge sollen entsprechende Rahmenbedingungen für die private Pensionsvorsorge geschaffen werden. Konkret wird genannt: Möglichkeit der Übertragung von Kapital aus einer Vorsorgekasse in eine Pensionskasse, Verwaltungsvereinfachungen bei Pensionskassen und Mitarbeitervorsorgekassen, Weiterentwicklung zur Optionalität zwischen Vorsorgeplänen mit und ohne Kapitalgarantie bei der freiwilligen privaten Vorsorge und PensionsApp für jede Bürgerin und jeden Bürger zur Schaffung von Transparenz unter Berücksichtigung von Datenschutz.

Weiters soll die "Financial Literacy" von Jung und Alt gestärkt werden. Dazu sollen Grundlagen des Wirtschaftsverständnisses und Finanzwissens sowie der kritischen Finanzbildung und ihrer Bedeutung für die Gesamtwirtschaft und die Gesellschaft stärker in heimischen Lehrplänen verankert werden. Es sollen zudem lebenslange, berufsbegleitende Lehrangebote zum Kapitalmarkt mit privaten Partnern ermöglicht werden, um gesamtgesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Darüber hinaus soll die Digitalisierung im österreichischen Kapitalmarkt vorangetrieben werden, z.B. durch die Einführung digitaler Schuldverschreibungen (für Wertpapiere, Anleihen, Zertifikate etc.) und die Bekämpfung von Finanzkriminalität z.B. mit "pattern recognition" und Einsatz von künstlicher Intelligenz. Der Der FinTech-Beirat soll zudem seine Tätigkeit fortführen.

Einsatz auf EU-Ebene für einen starken Kapitalmarkt

Im Regierungsübereinkommen finden sich auch einige Punkte, die die Bemühungen der künftigen Regierung auf EU-Ebene ansprechen. Diese scheinen nicht neu zu sein. Da geht es um eine Reform der Bankenunion auf EU-Ebene, ein Ruf nach mehr Proportionalität, Einsatz gegen den Einsatz von „Green Washing“ bei der Festlegung von Nachhaltigkeitsklassifizierungen und für Umsatzsteuerabzugsfähigkeit auf EU-Ebene.

Ökologisierung vorantreiben

Festgehalten ist weiters der Einsatz der Bundesregierung für einen „Green Supporting Factor“ auf europäischer Ebene, sprich dafür, dass Banken für Kredite, die effektiv dazu beitragen, den Übergang zu einer nachhaltigen, klimaneutralen Wirtschaft zu beschleunigen, weniger Eigenkapital hinterlegen müssen. Ein solcher „Green Supporting Factor“ würde die Vergabe von „grünen Krediten“ erleichtern und somit einen wertvollen Beitrag zur Erreichung unserer europäischen Klimaziele leisten.

Entbürokratisierung im Kapitalmarkt-Bereich

Schließlich werden einige - nicht neue - Maßnahmen aufgezählt, die den Kapitalmarktbereich entbürokratisieren sollen:

  • Das Finanzministerium und das Justizministerium evaluieren gemeinsam mit den Aufsichtsbehörden regelmäßig mögliche Übererfüllung von EU-Richtlinien für den Kapitalmarkt (Gold-Plating).
  • Es soll einen laufenden Dialog mit der Wiener Börse zum Abbau unnötiger Bürokratie bei Börsegängen in Österreich geben (besonders auch für KMUs).
  • Elektronische Kommunikation mit Kundinnen und Kunden soll auch für Finanz- und Versicherungsunternehmen zeitgemäß möglich sein und der gesetzliche Rahmen entsprechend gelockert werden, wobei der Datenschutz zu berücksichtigen ist.
  • Bei der Prospektpflicht sollen Erleichterungen kommen. Im Alternativfinanzierungsgesetz soll die Möglichkeit einer vereinfachten Prospektpflicht auf bis zu € 8 Mio ausgedehnt werden und so Finanzierungen erleichtert werden.
  • Die im vorigen Frühjahr schon auf Schiene gewesene Regulatory Sandbox soll nun umgesetzt werden. Konzessionspflichtige Finanz-Start-Ups sollen damit ihr Geschäftsmodell in enger Zusammenarbeit mit FMA erarbeiten und so Konzessionen erwerben.
  • Das Hypothekar- und Immobiliengesetz soll reformiert werden, auch etwas, das schon länger geplant ist. Hypotheken sind derzeit in unterschiedlichen Gesetzen geregelt. Daraus ergeben sich teils unvollständige und widersprechende Regelungen. Weiters ist historisch begründet nur ein eingeschränkter Kreis von Kreditinstituten zur Emission von Pfandbriefen berechtigt. Eine neue einheitliche gesetzliche Regelung soll diese Unstimmigkeiten bereinigen sowie sicherstellen, dass alle Banken, die die Voraussetzungen erfüllen, Pfandbriefe in ihrer hohen Qualität begeben dürfen. Das Pfandbriefgesetz soll modernisiert werden, um modernen Kapitalmarktanforderungen zu entsprechen.
  • Weiters soll das Abwicklungsgesetz für Banken geändert werden, um sicherzustellen, dass zusätzliche Nachrangigkeitserfordernisse für die gesetzlich vorgeschriebene Liquiditätsreserve nicht notwendig sind
  • Schließlich soll eine Stärkung der externen Rotation bei Wirtschaftsprüferinnen bzw. -prüfern und Bankprüferinnen bzw. -prüfern evaluiert werden.

Eine Reform der Finanzmarktaufsicht, wie sie im Frühjahr 2019 diskutiert wurde, ist hingegen vom Tisch (siehe etwa ORF.at vom 17.1.2020). Dazu findet sich im Regierungsprogramm kein Hinweis. Es wird aber derzeit an einem "Memorandum of Understanding" zwischen FMA und OeNB gearbeitet. Ziel sei dabei die Hebung von Synergien und Minimierung von Doppelgleisigkeiten der Institutionen (siehe Wiener Zeitung vom 17.1.2020).

Verbesserte Anreize für privates Risikokapital

Interessant für Fintechs ist zudem, dass generell für innovative Start-ups und KMUs eine Verlustverrechnung über mehrere Jahre hinweg ermöglicht werden soll. Die steuerliche Absetzbarkeit von Anschub- und Wachstumsfinanzierung soll zudem geprüft werden. Institutionelle Investoren, wie Pensionskassen, Vorsorgekassen und Versicherungen sollen in langfristige, innovative Anlageformen investieren dürfen.

Das öffentliche Risikokapital soll vereinheitlicht und gestärkt werden, und zwar durech verstärkte Kooperation des Bundes mit der Österreichischen Kontrollbank (OeKB), durch einen weniger bürokratischen Vergabeprozess der Österreichischen Entwicklungsbank AG (OeB) und durch den Ausbau der Verfügbarkeit von Wachstumskapital für Start-ups und KMUs (Finanzierungsvolumen € 2 Mio. bis € 20 Mio.) in Zusammenarbeit mit privaten Investorinnen und Investoren.

Im Kapitel über Standortpolitik ist zudem vorgesehen, eine neue Kapitalgesellschaftsform zu schaffen, die besonders für innovative Startups und Gründerinnen bzw. Gründer in ihrer Frühphase eine international wettbewerbsfähige Option bietet.

Blockchain

Erwähnt ist schließlich auch die geplante Erstellung eines Masterplans für Blockchain-Technologie und Kryptowährungen. Folgende Ziele sind diesbezüglich formuliert:

  • Schaffung einer vorausschauenden österreichischen Positionierung zur Förderung, Anwendung und Regulierung der Blockchain-Technologie und ihrer unterschiedlichen Anwendungen (z.B. Kryptowährungen).
  • Schaffung eines einheitlichen rechtlichen Rahmens für Investitionen im Blockchain-Bereich (in Abstimmung mit der EU)
  • Prüfung der Entwicklungsmöglichkeiten vielversprechender Anwendungsbereiche in der Verwaltung: Piloten zur Blockchain-Anwendung zentraler Registertätigkeiten
  • Aufbau auf Österreichs bestehende Exzellenzzentren im Blockchain-Bereich (z.B. ABC-Kompetenzzentrum)

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