Ukrainekonflikt - mögliche Konsequenen eines SWIFT-Ausschlusses

 

Ukrainekonflikt – Welche Konsequenzen hätte ein Ausschluss Russlands vom SWIFT-Netzwerk?

Im aktuellen Ukrainekonflikt wird die Forderung, Russland als Sanktion gegen ihren Angriff auf die Ukraine von SWIFT auszuschließen, immer lauter. Doch welche Konsequenzen hätte ein solcher Ausschluss konkret und was würde er bedeuten?

Zunächst, was ist SWIFT überhaupt?

Die Bezeichnung SWIFT ist fast jedem geläufig, doch worum es sich dabei genau handelt, wissen meist nur Experten. Die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) ist eine belgische Organisation, die das besonders sichere Telekommunikationsnetz SWIFTNet betreibt, das von mehr als 11.000 Banken in über 200 Ländern weltweit genutzt wird. Sie steht im Eigentum ihrer Mitglieder, hauptsächlich Banken und anderen Finanzinstituten oder Finanzorganisationen. SWIFT ist dabei nur für die Übermittlung von Nachrichten verantwortlich und nicht an der tatsächlichen Verbuchung einer Überweisungszahlung beteiligt.

SWIFT hat sich zum internationalen Standard im Zahlungsverkehr etabliert. Gerade wenn es um grenzüberschreitende Zahlungen geht, kommt jeder Bankkunde mit SWIFT in Berührung. Jeder kennt auch den BIC-Code (Business Identifier Code), die Kennung, die SWIFT jedem Teilnehmer als eindeutiges Bezeichnungsformat zuweist. SWIFT nimmt daher eine enorme Bedeutung im Finanzsystem und im internationalen Zahlungsverkehr ein.  

SWIFT und das Sanktionenrecht

SWIFT wurde schon öfter zum Gegenstand weltpolitischer Auseinandersetzungen und Konflikte. Zudem spielt SWIFT eine wichtige Rolle im Rahmen des internationalen Sanktionenrechts. SWIFT übermittelte etwa in den Jahren nach den Terroranschlägen 2001 (9/11) vertrauliche Daten über Finanztransaktionen an die US-amerikanische Regierung, die damit (mutmaßliche oder tatsächliche) Terroristen ausforschte. Im März 2012 setzte SWIFT aufgrund der EU-Sanktionen wegen des iranischen Atomprogramms den internationalen Datenverkehr zwischen SWIFT und den größten iranischen Banken aus. Dies hatte drastische Folgen für Irans Exporthandel. Ein Zahlungsaustauch mit dem Iran war darauf hin nur mehr über den Austausch von Bargeld möglich, allenfalls über kleinere iranische Banken, die nicht blockiert waren, oder über andere Konstruktionen. Dadurch, dass die iranische Banken vom SWIFTNet ausgeschlossen  waren, konnten von allen anderen Banken auf der Welt nicht mehr erreicht werden, sie waren sozusagen „offline“. Nach einer kurzen Phase der Entspannung, in der die Blockade zum Teil aufgehoben wurde, sind seit November 2018 wieder viele iranischen Banken im SWIFTNet blockiert.

Wie könnte ein Ausschluss von SWIFTNet erfolgen?

SWIFT ist eine nach eigenen Angaben neutrale Organisation. Da ihr Sitz in Belgien liegt, unterliegt SWIFT in erster Linie belgischem und europäischem Recht. Dies bedeutet, dass SWIFT grundsätzlich nur dann Banken oder Länder von SWIFTNet auszuschließen hat, wenn dies nach belgischem oder europäischem Recht beschlossen wird. Dies war 2012 der Fall, als SWIFT ausnahmsweise durch die EU-Verordnung 267/2012 angewiesen wurde, sanktionierte iranische Banken von SWIFTNet auszuklammern. Im Interesse ihrer eigenen Mitglieder und vor dem Hintergrund der systemischen globalen Verantwortung hat SWIFT keine Kompetenz, um Sanktionsentscheidungen selbst zu fällen. 2018 hatte sich SWIFT jedoch von den USA entgegen dem Willen der EU dazu drängen lassen, iranische Banken zu blockieren.

Welche Konsequenzen hätte ein Ausschluss Russlands von SWIFT?

Ein Ausschluss Russlands von SWIFT würde zunächst die russische Bank- bzw. Finanzindustrie von den globalen Finanzströmen weitgehend ausschließen. Sie könnten in dem Fall kaum Geschäfte mehr mit dem Ausland tätigen. Selbst der Zahlungsverkehr innerhalb Russlands würde stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Aber auch westliche Banken müssten nach Alternativen für die Abwicklung ihrer Russlandgeschäfte suchen. Ein Auschluss hätte zudem Auswirkungen auf viele westliche Firmen, denn sie könnten dann weder Importe aus Russland bezahlen noch Zahlungen für Exporte nach Russland empfangen. Aus diesem Grund wäre ein Ausschluss ein zweischneidiges Schwert – es bestehen gerade in der EU starke wechselseitige Abhängigkeiten. Rohstoffe wie Erdöl, Erdgas und Metalle könnten nicht mehr wie gewohnt in die EU importiert werden und auch keine Waren verschiedenster Wirtschaftsbranchen nach Russland exportiert werden.

Kritiker bezweifeln jedoch, dass ein Ausschluss Russlands von SWIFT aufgrund des niedrigen Schuldenstandes Russlands, der geringen Abhängigkeit von europäischen Importen und des massiven Aufbaus von Devisenreserven in den letzten Jahren als Sanktion ausreichende Wirkung zeigen würde.

Alternativen zu SWIFT

Experten erwarten, dass russische Banken einen SWIFT-Ausschluss mitttelfristig dadurch kompensieren könnten, dass sie verstärkt andere Zahlungssysteme nutzen. Aufgrund der starken Abhängigkeit vom SWIFT-System arbeiten einige Länder, darunter auch Russland, ohnehin bereits seit geraumer Zeit an SWIFT-Alternativen. Russland hat etwa das nationale Zahlungssystem MIR und das Nachrichtensystem SPFS entwickelt. Bislang wurden diese Systeme jedoch hauptsächlich in Russland selbst verwendet. Auch China hat ein eigenes Cross-Border Interbank Payment System (CIPS) entwickelt, das auf dem Renminbi basiert. Dieses Netzwerk befindet sich großteils jedoch noch in der Testphase. Es wird aber befürchtet, dass ein SWIFT-Ausschluss Russlands diese Bemühungen beflügelt und damit das SWIFT-System mittelfristig schwächen würde.

Kryptowährungen als Alternative zu SWIFT

Theoretisch könnte Russland auch vermehrt auf Zahlungen mit Kryptowährungen umsteigen. Dazu müsste der russische Gesetzgeber jedoch erst Kryptowährungen als legales Zahlungsmittel anerkennen. Das russische Finanzministerium hat außerdem erst kürzlich einen Gesetzesentwurf für eine Regulierung von Kryptowährungen in Russland vorgelegt, das die Verwendung von Kryptowährungen als Zahlungsmittel untersagt. Kryptowährungen sollen lediglich als Anlageobjekt dienen dürfen.

Tatsächlich haben Kryptowährungen wie Bitcoin mit deutlichen Kursverlusten auf den Angriff Russlands auf die Ukraine reagiert. Dies ist auf den Umstand zurückzuführen, dass Kryptowährungen nach wie vor als besonders riskante Anlagen gelten, weshalb sie von der hohen Unsicherheit aufgrund des russischen Angriffs besonders betroffen sind. Daran zeigt sich aber auch, dass Anleger offenbar nicht an Kryptowährungen als alternatives Zahlungsmittel glauben.

Was können wir für Sie tun?

Mit unserem umfassenden Know-how im Bereich des Finanzmarktrechts können wir Sie kompetent bei sanktionsrechtlichen Fragen unterstützen. Wir freuen uns auf Ihre Anfrage.

Ansprechpersonen: Mag. Miriam Broucek & Dr. Bernd Fletzberger

Adresse

  • 1010 Wien,
    Nibelungengasse 11/4

Kontakt

  • +43 1 877 04 54
  • office(a)pfr.at

Follow us

Suche

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.