Entzug der Bankkonzession und vorläufiger Rechtsschutz
Am 7. Februar 2020 fasste das Gericht der Europäischen Union (EuG) eine auf den ersten Blick wenig spektakuläre Entscheidung in Bezug auf die Anglo Austrian AAB Bank AG (AAB Bank). Sie verfügte darin (hier der Text der Entscheidung im Wortlaut), dass ein zuvor ergangener Beschluss, mit dem die Europäische Zentralbank (EZB) der AAB Bank die Bankkonzession entzogen hatte, sofort wirksam ist.
Das bedeutet, dass der Beschluss bereits vollzogen werden kann, bevor gerichtlich entschieden ist, ob die Konzession von der EZB zu Recht entzogen wurde. Konkret darf die Bank daher ab sofort kein Neubankgeschäft mehr abschließen.
Wir erklären Ihnen hier, worum es in der Sache geht, wie das EuG diese Entscheidung begründete und warum die Entscheidung für die Praxis wichtig ist.
Worum gehts - das Wichtigste zusammengefasst
In dem Verfahren ging es hauptsächlich um die Frage, unter welchen Umständen vorläufiger Rechtsschutz gegen eine Handlung eines EU-Organs gewährt werden kann.
Hintergrund ist, dass die EZB mit Beschluss vom 14. November 2019 der AAB Bank die Bankkonzession entzogen hatte, und zwar mit sofortiger Wirkung.
Die Bank und ihre Eigentümerin erhoben dagegen umgehend Rechtsmittel. Einerseits wurde eine Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses eingebracht, andererseits wurde mit gesondertem Schriftsatz ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Konkret wurde von der Bank unter anderem beantragt, die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen und sonstige zum Schutz des Status quo erforderliche einstweilige Anordnungen zu treffen.
Und zunächst schien es so, als könnte die AAB Bank vorerst "ihren Kopf aus der Schlinge" ziehen, denn das EuG setzte den Vollzug des angefochtenen Beschlusses einstweilen, bis zur Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, aus. Nach weiteren Beratungen, konkret mit Beschluss vom 7. Februar 2020, wies der Präsident des EuG aber nun den Antrag der AAB Bank, den Entzug ihrer Bankzulassung vorläufig auszusetzen, zurück. Damit ist der von der EZB verfügte Entzug der Bankkonzession wieder vollziehbar, obwohl das Hauptverfahren noch läuft.
Begründung des EuG
Der Präsident des EuG versagt der Bank den vorläufigen Rechtsschutz, weil er die Voraussetzung der Dringlichkeit nicht erfüllt sieht.
Im vorliegenden Fall sei - aufgrund einer Besonderheit im Vorfeld des Entzugs der Bankkonzession - nicht generell zu klären gewesen, ob der Entzug der Bankzulassung für die Bank einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden darstellt.
Die AAB Bank habe nämlich bereits vor dem Entzug der Bankzulassung selbst beschlossen, den Bankbetrieb einzustellen und nach Abwicklung der laufenden Bankgeschäfte ihre Konzession zurückzulegen, also auf die Bankzulassung zu verzichten.
Da die AAB Bank autonom entschieden habe, ihre Bankgeschäfte abzuwickeln, und ihre Geschäftstätigkeit auf die Abwicklung der Bankgeschäfte gerichtet habe, habe durch den zeitlich nachfolgenden Entzug der Bankzulassung kein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden mehr drohen können.
Bedeutung der Entscheidung für die Praxis
Die Entscheidung ist va deshalb für Bankrechtler bedeutsam, weil sie die Voraussetzungen zur Gewährung eines vorläufigen Rechtsschutzes beschreibt. Insofern wurde ein Präzedenzfall im Rahmen des Single Supervisory-Mechanismus (SSM) geschaffen, der sicherlich maßgeblich für spätere ähnliche Verfahren sein wird.
Folgende Grundsätze zur Gewährung eines vorläufigen Rechtsschutzes gegen EZB-Entscheidungen lassen sich aus dem Urteil ableiten:
- Gemäß Art 278 und 279 AEUV in Verbindung mit Art 256 Abs 1 AEUV kann vom EuG vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden, wenn der zuständige Richter dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung einer vor dem EuG angefochtenen Handlung auszusetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen zu treffen. Nach Art 278 AEUV haben Klagen jedoch grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, da für die Handlungen der Organe der EU die Vermutung der Rechtmäßigkeit gilt. Die Vollziehung einer angefochtenen Handlung eines Organs der EU kann daher nur in Ausnahmefällen ausgesetzt oder einstweilige Anordnungen getroffen werden.
- Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz müssen den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, sowie die den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung dem ersten Anschein nach rechtfertigenden Sach- und Rechtsgründe anführen.
- Nach Art 156 Abs 4 Satz 2 der Verfahrensordnung müssen Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz „sämtliche verfügbaren Beweise und Beweisangebote enthalten, die dazu bestimmt sind, den Erlass [der] einstweiligen Anordnungen zu rechtfertigen“.
- Die Aussetzung der Vollziehung einer Handlung eines EU-Organs setzt kumulativ voraus, dass sie dem ersten Anschein nach sachlich und rechtlich gerechtfertigt ist (fumus boni iuris) und dass sie in dem Sinne dringlich ist, dass es zur Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers erforderlich ist, dass sie vor der Entscheidung zur Hauptsache ergeht. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bzw auf eine einstweilige Anordnung ist zurückzuweisen, wenn eine dieser beiden Voraussetzungen nicht vorliegt, denn sie müssen kumulativ vorliegen.
- In einem derartigen Eilverfahren ist die Dringlichkeit generell danach zu beurteilen, ob eine einstweilige Anordnung erforderlich ist, um den Eintritt eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens bei der Partei zu verhindern, die vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Diese Partei hat nachzuweisen, dass sie den Ausgang des Verfahrens zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne dass ihr ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entstünde (vgl Beschluss vom 14. 1. 2016, AGC Glass Europe u. a./Kommission, C‑517/15 P‑R, Rn 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
- Dringlichkeit ist zudem nur dann gegeben, wenn der von der antragstellenden Partei befürchtete schwere und nicht wiedergutzumachende Schaden in der Weise unmittelbar bevorsteht, dass sein Eintreten mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist. Diese Partei hat in jedem Fall die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen Schadens begründen sollen, wobei ein rein hypothetischer Schaden keinen vorläufigen Rechtsschutz rechtfertigen kann.
- Im Rahmen eines Verfahrens zur Klärung, ob einem Kreditinstitut vorläufiger Rechtsschutz gegen die sofortige Vollziehung des Entzugs einer Bankkonzession zusteht, ist dementsprechend zu klären, ob der Entzug der Bankzulassung für eine Bank einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden darstellt.
- Ein finanzieller Schaden ist laut EuG – abgesehen von außergewöhnlichen Situationen – nicht als irreparabel anzusehen, da ein Ersatz in Geld den Geschädigten in der Regel wieder in die Lage versetzen kann, in der er sich vor Eintritt des Schadens befand. Für einen solchen Schaden könnte insbesondere im Rahmen einer Schadensersatzklage gemäß den Art 268 und 340 AEUV Ersatz erlangt werden (Beschluss vom 23. 4. 2015, Kommission/Vanbreda Risk & Benefits, C‑35/15 P[R], Rn 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).
- Ist der geltend gemachte Schaden finanzieller Art, können einstweilige Anordnungen gerechtfertigt sein, sofern erkennbar ist, dass der Antragsteller andernfalls in eine Lage geriete, die seine finanzielle Existenzfähigkeit vor dem Ergehen der abschließenden Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache bedrohen könnte, oder dass seine Marktanteile insbesondere im Hinblick auf den Zuschnitt und den Umsatz seines Unternehmens sowie gegebenenfalls die Merkmale des Konzerns, dem er angehört, wesentlich verändert würden (vgl Beschluss vom 12. 6. 2014, Kommission/Rusal Armenal, C‑21/14 P‑R, Rn 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).
- Hat die Bank bereits vor dem Entzug der Bankzulassung selbst beschlossen, den Bankbetrieb einzustellen und nach Abwicklung der laufenden Bankgeschäfte ihre Konzession zurückzulegen, droht durch einen zeitlich nachfolgenden Entzug der Bankzulassung kein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden.
Wie können wir Ihnen helfen?
Unsere Kanzlei ist auf Finanzmarktrecht, insbesondere regulatorische Verfahren, spezialisiert. Wenn Sie Fragen zu diesem Urteil haben, oder Unterstützung bei aufsichtsrechtlichen Verfahren mit zuständigen Behörden, sei es FMA, OeNB oder EZB haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Bernd Fletzberger